UNICEF: Kinder im Sudan „nur noch Haut und Knochen“
Zusammenfassung des Statements von Sheldon Yett, UNICEF-Leiter im Sudan, beim heutigen Pressebriefing im Palais des Nations in Genf

Am 3. August spricht UNICEF-Vertreter Sheldon Yett mit Müttern, deren Kinder wegen akuter Mangelernährung behandelt werden.
© UNICEF/UNI843228/Elfatih„In der vergangenen Woche habe ich die Bundesstaaten Jezira und Khartum besucht und die Auswirkungen der derzeit größten humanitären Krise weltweit auf Kinder und Familien mit eigenen Augen gesehen.
Ich sah zerstörte Häuser und Gebäude. Ich sah die Trümmer unseres Warenlagers in Khartum, das geplündert und in Schutt und Asche gelegt wurde. Ich sah, dass unsere Hilfsgüter in diesem Lagerhaus zerstört worden waren. Ich begegnete Familien auf der Flucht und Kinder, die in überfüllten Gemeinden Zuflucht suchen.
Ich begegnete Müttern, die lange Wege auf sich nahmen, um sich in Sicherheit zu bringen, sowie Gesundheitspersonal, das sich trotz großer Risiken um kranke und mangelernährte Menschen kümmerte. Und ich sah, wie unsere Teams und Partner unermüdlich alles dafür tun, um weiterhin lebensrettende Hilfe zu leisten – häufig unter gefährlichen und unsicheren Bedingungen.
Ich habe Jebel Aulia besucht, einen der beiden Orte im Bundesstaat Khartum, die besonders stark von einer Hungersnot bedroht sind.
Etwa 37 Prozent der mangelernährten Kinder im Bundesstaat Khartum leben in Jebel Aulia und der Stadt Khartum. Beide Orte sind gleichzeitig am stärksten von anhaltender Gewalt betroffen. Der Zugang für humanitäre Hilfsorganisation ist stark eingeschränkt. Kinder dort haben nur begrenzten Zugang zu sauberem Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung und Bildung, auch wenn er sich zunehmend verbessert. Mangelernährung ist weit verbreitet – viele Kinder sind nur noch Haut und Knochen. In Jebel Aulia leben Kinder und Familien oft in kleinen, beschädigten oder nicht fertig gestellten Gebäuden. Die Straßen sind eng, schlammig und oft unpassierbar. Mit jedem Tag, an dem es weiter regnet, werden sie noch schwieriger zu befahren.
Cholera breitet sich schnell aus. Die wenigen funktionierenden Gesundheits- und Ernährungszentren in der Gegend sind stark überlastet und überfüllt.
Gemeinsam mit unseren Partnern setzen wir alles daran, um zu helfen. Die Sicherheitslage bleibt weiterhin schwierig, verbessert sich jedoch ein wenig. Nach monatelangen Anstrengungen haben wir endlich Zugang zu den Menschen dort und unterstützen Gesundheits- und Ernährungsdienste, die Wasserversorgung sowie die Abwasserentsorgung. Wir bringen wichtige Hilfsgüter genau dorthin, wo sie am dringendsten benötigt werden. Außerdem schaffen wir sichere Orte, an denen Kinder lernen, spielen und Halt finden können. Die humanitären Bedarfe sind enorm.
Kinder sterben an Hunger, Krankheiten und Gewalt
Leider ist die humanitäre Lage im ganzen Land äußerst prekär und verschlechtert sich rapide. Kinder sterben an Hunger, Krankheiten und direkter Gewalt. Sie sind von der Grundversorgung abgeschnitten, die ihr Überleben sichern könnte.
Das ist keine hypothetische Verschlechterung, sondern es droht eine Katastrophe. Wir stehen kurz davor, eine ganze Generation von Kindern irreversibel zu schädigen. Das Problem ist nicht, dass uns das Wissen oder die Mittel fehlen, um ihnen zu helfen, sondern dass wir als Weltgemeinschaft nicht mit der nötigen Dringlichkeit und im erforderlichen Umfang handeln. Wir brauchen dringend Zugang zu allen Kindern in Not.
Aufgrund der jüngsten Kürzungen finanzieller Mittel hatten viele unserer Partner im Bundesstaat Khartum und anderen Teilen des Sudan keine andere Wahl, als ihre Hilfsmaßnahmen einzuschränken. Wir als UNICEF leisten weiter Hilfe, doch wir können diese Herausforderung nicht alleine bewältigen.
Wir benötigen dringend finanzielle Unterstützung und einen dauerhaften humanitären Zugang, um unsere Hilfsmaßnahmen in den Gebieten, die wir derzeit erreichen können, weiter auszuweiten. Die Zahl der Kinder, die wegen schwerer akuter Mangelernährung in Orten wie Jebel Aulia und in weiten Teilen des Bundesstaates Jezira behandelt werden müssen, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Not in den neu zugänglichen Gebieten enorm ist.
Wir brauchen sicheren und dauerhaften Zugang, ganz gleich, wo die Kinder sich befinden. Das ist besonders wichtig in Gebieten nahe der Front, wie Al-Fashir, Dilling und Kadugli, die derzeit von Hilfslieferungen abgeschnitten sind. Jeder Tag ohne Zugang zu diesen Orten gefährdet das Überleben der Kinder.
Eine der vertriebenen Mütter erzählte uns: ‚Seit Beginn des Krieges hat meine Tochter aufgehört zu sprechen, und ich spüre, wie ihr Herz vor Angst rast.‘ Ihre Worte sind eine erschreckende Erinnerung an die unsichtbaren Wunden, die der Krieg den Kindern im Sudan zufügt.
Während meines Besuchs und im vergangenen Jahr habe ich das schlimmste gesehen, was ein Krieg anrichten kann und gleichzeitig das Beste, was mit Menschlichkeit dagegen getan werden kann. Die Kinder im Sudan geben nicht auf.
Wir setzen uns weiterhin für nachhaltige diplomatische Bemühungen für Frieden im Sudan ein. Solange der Konflikt andauert, müssen wir alle gemeinsam alles in unserer Macht Stehende tun, um die Kinder zu unterstützen – wir dürfen nicht zulassen, dass sie den höchsten Preis dafür zahlen.
Die Welt darf nicht wegsehen. Nicht jetzt.”
Service für die Redaktionen:
Gerne stehen wir für Interviews zur Verfügung.
Aktuelle Bild- und Videomaterialien stehen hier zur Verfügung.
UNICEF ruft dringend zu Spenden für die Kinder im Sudan auf.

Christine KahmannSprecherin - Nothilfe